Die Sonne stand tief über Kintargo. Grinder entblößte freudig seine Zähne, als er die stolze „Jenivere“ vor sich sah. Einige Matrosen, die ihn von Bord aus begutachteten, schauderten bei dem Anblick des martialisch aussehenden Orks, der vor der Planke zu ihrem Schiff stand. Auf sie wirkte diese Mimik mehr wie eine Kampfansage an die Besatzung, als wie ein Lächeln. Und soweit waren sie mit ihrer Einschätzung von der Wahrheit nicht entfernt. Natürlich hatte der gebürtige Halb-Ork nicht vor auf der Überfahrt nach Sargava Ärger zu provozieren. Vielmehr galt seine innere, kämpferische Einstellung dem Dschungel und dem Mwangibecken, die er zu erkunden dachte. Dort wartete eine große unbekannte Welt darauf, von ihm entdeckt zu werden. Zahlreiche Schätze und die Möglichkeit, endlich positive Reputation zu erlangen waren es, die ihn lockten.
Nicht mal in dieser Hafenstadt war es ihm gelungen langfristige, freundschaftliche Kontakte zu knüpfen. Die meisten Tage seiner bisher siebzehn Lebensjahre hatte er sein Aussehen verdammt. Zu seinem Leidwesen hatten bei seiner Geburt die orkischen Aspekte seines Vaters viel stärker durchgeschlagen, als die seiner menschlichen Mutter. Für eine unwissende Person war es so gut wie unmöglich zu erkennen daß er ein Mischling war und nicht ein reiner, als „wild“ und „primitiv“ verschriener Ork. Sein überaus kräftiges Gebiss, mit dem er einen einfachen Menschen problemlos töten könnte, tat sein übriges dazu, daß die Wesen der unterschiedlichsten Rassen ihn mieden.
Er erinnerte sich nur ungern an die ersten bewusst erlebten Jahre seines Lebens. Er war in einem kleinen Dorf in Cheliax geboren worden und hatte hier bis zu seinem achten Sommer mehr schlecht als recht bei seiner Mutter gelebt. Seine Geburt war schwer gewesen, wie auch seine unfreiwillig erfolgte Zeugung. Es war ein großes Glück für ihn gewesen, daß seine Mutter ich trotzdem nicht sofort verstoßen hatte. Erst als er älter wurde und seine orkischen Züge nicht mehr zu übersehen waren hatte sich die Beziehung zu ihr deutlich verschlechtert. Die anderen Bewohner hatten ihn von Anfang an geschnitten und die anderen Kinder ihn wie einen Aussätzigen behandelt. Und nachdem in seinem Dorf von einem Raubtier Schafe gerissen wurden, nutzten seine Nachbarn die Gelegenheit ihm dies anzulasten. Steine flogen, als sie ihn aus dem Dorf trieben. Blutend und weinend hatte er den Ort verlassen, den er trotz aller schlechten Erfahrungen als Heimat betrachtet hatte.
Die Wälder waren seine neue Heimat geworden. Er hatte lange gehungert und gedarbt, bis er die wichtigsten Kniffe und Tricks für das Überleben in der Wildnis erlernt hatte. Oft war er mit Magenschmerzen schlafen gegangen, weil er einen giftigen Pilz gegessen oder verdorbenes Wasser getrunken hatte. Neben Wurzeln und Früchten waren lange Zeit Fische seine Hauptnahrungsquelle. Die Ruhe und Abgeschiedenheit beim Angeln an den stillen oder fließenden Gewässern hatte er immer sehr genossen. Eines Tages war er in einen Wald eingedrungen, der bereits von einem Einsiedler bewohnt war. Er hatte nicht bemerkt, daß dieser ihn einige Tage lang neugierig verfolgte und beobachtete. Als er eines Tages ein Rehkitz aus der Falle eines Wilderers befreit hatte – er wollte jungen Lebewesen nie etwas antun – offenbarte der halb-elfische Waldläufer seine Anwesenheit. „Elaisa ist mein Name.“, hatte dieser sich vorgestellt. „Wenn Du möchtest, werde ich Dich lehren, wie Du in der Natur ein erfülltes Leben führen kannst.“ Zögernd hatte Grinder dieses Angebot angenommen und die nächsten, glücklichen fünf Jahre viel über das Gleichgewicht der Natur gelernt. Elaisa brachte ihm nicht nur bei, sein Nahrungsrepertoire um ein Vielfaches zu erweitern. Er unterrichtete ihn auch in zahlreichen Kampfkünsten und dem friedvollen Umgang mit den Tieren des Waldes. Letzteres scheiterte aber regelmäßig an der bedrohlichen Gestalt Grinder´s, weshalb Elaisa ihm der Einfachheit halber beibrachte gefährlichen Tieren auszuweichen und harmlose bei Bedarf als Jagdwild zu nutzen.
Vor zwei Jahren hatte Elaisa Grinder´s Ausbildung als abgeschlossen erklärt. Er wäre nun selber in der Lage dem Weg eines Waldläufers zu folgen und seine Macht und Fähigkeiten im Sinne der Natur kontinuierlich auszubauen. Elaisa hatte in den vergangenen Jahren anhaltend bemerkt, daß Grinder in Cheliax nicht glücklich werden würde. Zu sehr überschnitt sich die geistige Haltung der Staatsführung mit der seines Schützlings. Im Laufe der Zeit hatte sich auch Elaisa´s Begeisterung für unbekannte Länder und Gegenden auf den Halb-Ork übertragen. So kam es, daß Grinder sich entschloss seinem Heimatland den Rücken zu kehren, um in einer neuen Welt sein Glück zu suchen. Es wäre ja möglich, daß in den Dschungeln des fernen Sargava eine goldene Zukunft auf ihn wartete? So unberührt, wie das Land angeblich noch sein sollte, würde es Sinn machen es vor der übermäßigen Nutzung und Verschandelung der sogenannten kulturschaffenden Völker zu bewahren. Und für die, die die wilde Natur erkunden wollten, könnte er als Führer arbeiten. Vielleicht wäre das ja eine Möglichkeit sich einen guten Ruf aufzubauen – um endlich nicht mehr als Außenseiter zu gelten, sondern als geschätztes Mitglied der Gesellschaft. Auch, wenn er nur bedingt Kontakt mit dieser aufzunehmen gedachte.
So kam der Tag, an dem er sich von Elaisa verabschiedete, um seinen Weg alleine weiter zu beschreiten. Stolz über seinen Zögling gab ihm dieser zahlreiche Güter mit auf den Weg, die Grinder sicher nützlich sein würden. Darunter eine etwas in die Jahre gekommene Schuppenrüstung und einen Kukri als Nahkampfwaffe. Als Unterstützung für die Jagd hatte er ihm eine Schleuder hergestellt und auch nicht vergessen, ihm einen kleinen Vorrat an Bleikugeln mitzugeben. Grinder hatte für sich beschlossen, bei erster Gelegenheit seinen selbstgeschnitzten Kampfstab gegen eine Waffe mit „mehr Bums“ zu tauschen. Nach Möglichkeit sollte seine Wunschwaffe sowohl im direkten Nahkampf, als auch auf Entfernung seine Gegner effektiv bedrohen können. Am liebsten eine Waffe, die nicht mittels Wucht seine Kraft übertrug, sondern eine wohlgestaltete Hiebwaffe. Wie sich zeigen sollte, würde dieser Wunsch, aller rassistischen Widrigkeiten zum Trotz, in Erfüllung gehen.
Um das Ende der Geschichte abzukürzen… *keinen Bock mehr auf Tippen hat* Er arbeitet zwei Jahre lang in Kintargo als Hafenarbeiter und rettet nach ca. einem halben Jahr einem höhern Hafenangestellten das Leben. Dieser wäre sonst von einer herabstürzenden Last erschlagen worden. Um sich zu revanchieren, beschafft dieser Grinder eine Stelle als Vorarbeiter, wo er dann mehr Gold verdient. Über die gute Verbindung zu diesem Angestellten kann Grinder sich seine meisterlich gefertigte Guisarme- / Krummschwert-Combo bauen lassen. Als angeblicher Ork hätte er hier sonst nie eine solche Waffe gefertigt bekommen. Nach dem er sich auch eine Karte des Mwangibeckens organisieren konnte – und genügend finanzielle Mittel beiseite geschafft hat – erwirbt er eine Schiffspassage nach Sargava. Vielleicht hat er dem Angestellten noch von einem Mithral-Kettenhemd vorgeschwärmt, bei dem dieser sich finanziell beteiligt hat. Vielleicht ist Grinder auch auf anderem Wege an einen anderen, magischen Gegenstand gekommen. (Noch ein Abschiedsgeschenk von Elaisa z. B.)